Kapitel 1
Ich fühlte mich beschissen. Drei Uhr morgens am Flughafen Weeze. 7 Stunden vorher haben wir Berlin verlassen und jetzt standen wir hier. Hungrig, dreckig, müde, man fühlte sich einfach wie Müll. Marv guckte lethargisch auf sein Handy, Aike blätterte in Tourismus-Heftchen über Weeze (…) und ich aß mein letztes Brot. Jaki und Christian brachten gerade den Bus auf einen Parkplatz, wo er die nächste Woche stehen würde. Im Vorfeld wurden wir oft gefragt, warum und vor allem wie wir es schafften an solchen unüblichen Orten zu touren. Aber wie so oft ist es viel einfacher als man denkt. Wir arbeiten, wir kaufen die Tickets, wir fliegen hin. Jemanden zu finden, der Hardcore-Konzerte macht, war immer das kleinste Problem. Momentan war das weitaus größere Problem die Ryanair-Angestellte, die sich weigerte Aikes Bass als normales Gepäckstück aufzugeben. Fluchend zahlten wir die 50EUR Zusatzgebühr und betraten ein volles Flugzeug. Es war wie in einem Alptraum für Flugangstpatienten. Schreiende Kinder auf den Schössen von überforderten Müttern, dumme Deutsche Touristen und genervte Marokkaner. Vom Flug bekam ich wenig mit, ich schlief durchgehend. Meine Gitarre stand neben mir auf ihrem eigenen Sitzplatz. Ganz angenehm. „Guck mal ein See, hier gibt es auch Seen, guck mal eine Stadt, die sieht fast so aus wie eine richtige Stadt.“ Die Deutsche Touristin vor mir schien sich mit dummen Aussagen zu Marokko selbst übertreffen zu wollen. Wir landeten in Fes. Mit Vorurteilen ist das ja so ein Ding, ich weiß nicht genau, was ich erwartet habe, aber solch einen modernen Flughafen eher nicht. Am Einreiseschalter ging es schnell. Unangenehme Fragen wurden nur Marv gestellt, der eine Reihe neben uns stand. Marv ist ein Magnet für Probleme. Natürlich ist es nie seine Schuld. Und eigentlich waren wir selbst ja nur fünf dumme Touristen. Daher wurden wir vermutlich auch durchgelassen. Das Gepäck kam schnell. Viele Flüge schienen hier nicht zu landen. Die Sonne ballerte auf uns nieder. Zum Abholen stand keiner da. Dabei hatten wir uns das so schön ausgemalt, wie richtige Rockstars mit Schild abgeholt zu werden. Wir positionierten uns neben den Eingang in der Nähe von drei schwer bewaffneten Militärs um kurz die Lage zu checken. Christian schrieb Jeffrey eine SMS. Er, bzw. jemand sei unterwegs. Vor ca. zwei Jahren spielten wir eine Spanien/Portugal-Tour. Im Rahmen dieser wollten wir eigentlich mit dem Auto auch weiter nach Marokko. Schon damals standen wir in Kontakt mit Jeffrey. Vor zwei Jahren hatte es nicht geklappt, diesmal sollte es klappen, hofften wir in dem Moment zumindest. 20 Minuten später kamen zwei Jungs, lass sie 17 gewesen sein, mit Kamera, die uns nach Meknes bringen sollten. Jeffreys Handlanger vermutlich. Zwei uralte E-Klassen dienten als Taxi. Der Preis betrug umgerechnet 12EUR. Wie gute Verhandler sahen die beiden Jungs nicht aus, aber andererseits waren wir nur froh unterwegs zu sein. Ca. 15 Minuten dauerte es vom Flughafen zum Bahnhof. Der Verkehr war wild, die Stadt chaotisch. An jeder Ecke wurde gebaut. Die Taxifahrer interessierten sich nicht groß für uns. Eigentlich interessierte sich keiner für die fünf hell weißen, schlecht tätowierten Deutschen, bzw. den Ungarn. Der Bahnhof war nagelneu und modern. Auch hier war alles voller Militär und Polizei. Wir kauften die Bahntickets für umgerechnet 2EUR pro Person. 40 Minuten sollte es dauern. Ein moderner Zug wartete an Gleisen. Im Schatten der Orangenbäume rauchten ein paar ältere Männer. Christian, Aike und ich teilten uns ein Abteil mit einer kleinen marokkanischen Familie. Ab und zu lächelten sie uns schüchtern an, wir lächelten schüchtern zurück. Sie bedankten sich höflich, als wir sie vorbeiließen. Wir verpassten beinahe unsere Station. Die beiden Jungs schienen selbst nicht genau zu wissen, wo wir hin mussten.